Cleveres Texten fürs Web – hier gibt es einiges zu beachten. Die Rezeption von Texten auf Internetseiten weist einige Besonderheiten auf, die sie von „offline“-Texten unterscheidet. Diese Unterschiede zu kennen, ist neben den „guten alten Textertugenden“ eine der großen Anforderungen an gute Webtexter.
Die besonderen Anforderungen an Texte im Web
Alle Texte, egal ob sie on- oder offline gelesen werden, stellen grundlegende gemeinsame Anforderungen an ihren Verfasser. Dazu gehört beispielsweise eine vernünftige Textgliederung und eine verständliche, interessante sprachliche Ausformulierung. Texte, die auf Internetseiten gelesen werden, haben jedoch einige Besonderheiten.
- Erwartung des Lesers an den Text
Eine Webseite wird in der Regel mit einer ganz konkreten Informationserwartung aufgesucht. Werden diese konkreten Erwartungen an die gesuchten, angebotenen und angeklickten Inhalte nicht erfüllt, kann der Webseitenbesucher rasch auf eine andere Webseite wechseln. Die hohe Informationsdichte im Internet macht es möglich. Genau das macht auch den Unterschied zu offline verfügbaren Informationen aus. Ein Reisekatalog beispielsweise muss erst angefordert werden. Daher gibt sich der Kunde offline schneller mit dem zufrieden, was vor ihm liegt.
- Aktualität der Texte
Aufgrund der Schnelllebigkeit von Online-Texten haben Webuser eine hohe Anforderung an neue, aktuelle Informationen. Für den Webuser lohnt sich der wiederholte Besuch auf einer Webseite, wenn er dort regelmäßig neue, informative und qualitativ hochwertige Beiträge angeboten bekommt. Das steigert den „Experten“-Status eines Anbieters und trägt damit zur Kundenbindung bei.
- Textrezeption
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Online-Texte anders gelesen werden als gedruckte Texte. Weiter unten wird darauf noch genauer eingegangen. Fest scheint zu stehen, dass Webuser Texte eher scannen denn lesen, und zwar vertikal – also von oben nach unten – statt horizontal, wie es z.B. beim Lesen eines Buches üblich ist.
- Ein sinnvolles Informationsangebot
Im Gegensatz zu reinen Druckprodukten bieten das Internet zahlreiche, schnell zugreifbare und vor allem unmittelbar vernetzbare Informationen. Um einen Text im Web für den Webseitenbesucher interessant zu gestalten, ist es daher sinnvoll, diese Möglichkeiten gezielt zu nutzen und sinnvolle Informationen und Links anzubieten. Der Leser soll weiterführende Informationsmöglichkeiten erkennen und bei Interesse darauf zugreifen können. Nicht die Länge eines Textes ist also ausschlaggebend, sondern eine sinnvolle Vernetzung mit weiterführenden Quellen.
- Zielgruppe „Suchmaschine“
Ein Online-Text wird in der Regel für zwei Zielgruppen geschrieben: den eigentlichen Webseitenbesucher und die Suchmaschine. Ein guter Texter sollte daher über Grundlagenwissen im SEO verfügen.
Über die Lesbarkeit von Texten im Web
Die Strukturierung eines Textes hängt stark davon ab, wie die angebotenen Informationen gelesen werden. Im Printbereich gehört diese „Weisheit“ zur Grundausbildung jedes Mediengestalters und Verlagsherstellers. Ein Lexikon muss textlich anders strukturiert werden als ein Roman oder ein Schulbuch.
Studien aus dem Printbereich haben gezeigt, dass Typografie im Wesentlichen unterschwellig wahrgenommen wird. Das bedeutet, die Qualität eines Textes wird unbewusst auch danach beurteilt, ob der Text gut lesbar ist. Die Qualität der Darstellung des Textes und die damit einhergehende „usability“ beeinflusst also ganz wesentlich die Wahrnehmung der Qualität des Textes selbst. Sieht sich ein Webseitenbesucher einem schlecht strukturierten Text gegenüber und kann er relevante Informationen nicht unmittelbar wahrnehmen, dann ist eine andere Webseite nur einen Klick entfernt.
Auch die Rezeption von Online-Texten erfolgt nach eigenen Regeln. Die Nielsen Normann Group befasst sich seit mehreren Jahren mit dem Nutzungsverhalten von Webusern und hat dazu zahlreiche Studien veröffentlicht. Miriam Löffler fasst in ihrem Buch „Think Content! Content-Strategie, Content-Marketing, Texten fürs Web“ die Ergebnisse dieser und anderer Studien wie folgt zusammen:
- Der Webuser liest Texte nicht Zeile für Zeile, sondern scannt von oben nach unten über die Inhalte einer Webseite.
- In maximal 10 Sekunden entscheidet ein Webseitenbesucher, ober er auf der Seite bleibt. Rund 17% verlassen eine Seite bereits nach 4 Sekunden.
- Ca. 25% länger dauert das Lesen am Bildschirm im Vergleich zum Lesen eines Printtextes. Verantwortlich dafür sind die Lichtimpulse, die vom Bildschirm ausgehen und unsere Augen stärker beanspruchen und ermüden. Dadurch sinkt das Konzentrationsvermögen.
- Nur ganz wenige (16%) Webseitenbesucher lesen Webtexte vollständig. 79% scannen dagegen nur rasch über den Bildschirm.
- In fast 70% der Zeit, die ein Webuser auf einer Webseite verweilt, befasst er sich mit der linken Hälfte der Seite. Für die rechte Seite werden nur rund 30% der Zeit verwendet.
- Das Leseverhalten auf Webseiten entspricht einem F-förmigen Muster. Dabei liegen die Fixationspunkte primär links. Nur durch interessante Impulse bricht der Leser wieder nach rechts aus.
- Der Großteil der Leser (80%) scrollt auf einer Seite gar nicht nach unten, sondern nimmt nur die Informationen wahr, die im ersten sichtbaren Bereich der Webseite liegen.
- Durchschnittlich 80% der Webseitenbesucher lesen die Überschriften einer Seite, aber nur rund 20% interessieren sich für den dazugehörigen Text.
Diese Aufzählung zeigt unter anderem, dass der Webuser innerhalb kürzester Zeit (10 Sekunden) entscheidet, ob er auf der Seite bleibt oder weiterklickt. In diesen 10 Sekunden kann er sich selbstverständlich keinen Eindruck von der Textqualität machen. Er nimmt vielmehr die Struktur des Textes wahr und versucht zu eruieren, ob es sich lohnt, sich länger mit der Seite zu befassen. Der Webseitenbesucher möchte also möglichst auf den ersten Blick wissen, ob er auf dieser Seite die Informationen finden kann, die er sucht.
Wege zur Strukturierung von Texten im Web
Zwei Methoden helfen im Wesentlichen dabei, Texte im Web ansprechend zu gestalten: Das Prinzip der umgekehrten Pyramide und typografische Formatierungen. Ein Webtexter sollte sich zumindest mit diesen beiden auseinandersetzen, um Webtexte nicht nur sprachlich gut zu schreiben, sondern auch lesegerecht zu strukturieren.
- Das Prinzip der umgekehrten Pyramide
Dieses Prinzip stammt aus dem Nachrichtenjournalismus und besagt, dass die wichtigsten Informationen einer Nachricht ganz am Anfang stehen, gefolgt von eher unwichtigen beziehungsweise weiterführenden Informationen. Dem Leser wird damit die Möglichkeit gegeben, sich kurz und knapp über den Inhalt einer Nachricht zu informieren. Auf diese Weise kann er entscheiden, ob er mehr darüber wissen und weiterlesen möchte, oder ob er sich einem anderen Thema zuwendet. Dazu beginnt der Text mit einer passenden Überschrift und einem knapp formulierten Einstiegssatz, der die Kerninformation der Nachricht enthält. Es folgen die Quelle sowie weitere bedeutende Informationen und Einzelheiten und schlussendlich Hintergründe, Ursachen, Wirkungen und Zusammenhänge.
Auf Webtexte adaptiert kann man drei Bereiche unterteilen: Ein Teaser-Text, der den Inhalt zusammenfasst und neugierig machen soll, gefolgt von den eigentlichen Informationen, die zum Beispiel durch Klick auf den Teaser-Text auf einer neuen Seite geöffnet werden. Am Ende stehen ergänzende nice-to-have-Informationen und weiterführende Verlinkungen. Wichtig dabei ist, dass der Teaser-Text möglichst ohne Scrollen sichtbar sein sollte.
- Webtypografie
Dem Leser sollte die Rezeption des Webtextes so angenehm wie möglich gemacht werden. Dazu stehen die Möglichkeiten der Textformatierung im Webdesign zur Verfügung. In ihrem Buch benennt Miriam Löffler dafür unter anderem folgende Möglichkeiten:
- eine saubere Gliederung
- präzise Headlines
- leicht verständliche und mit den wichtigsten Fakten gespickte Intro-Texte
- Auflockerung von Fließtexten durch Aufzählungen
- Einsatz von Subheadlines, um dem Leser von Anfang an mit genügend Argumenten Lust auf den Rest des Textes zu machen
- sparsamer Einsatz von gefetteten Begriffen (stören den Lesefluss)
- passende Schrift und Schriftgrößen
- Verwendung von Absätzen
- Call-to-Action-Buttons am Ende des Textes platzieren, am besten mit einem Keyword versehen und vom Text getrennt hervorgehoben
- gezielt gesetzte Links entweder im Text (sparsam) oder am Ende des Textes
Texte im Web – ein spannendes Thema
Das Schreiben von Texten im Web ist und bleibt ein spannendes Thema, allein schon da sich die Nutzung von Technologien weiter ändert und immer wieder neue Herausforderungen und Anforderungen an die Art und Weise der Textstruktur und -darstellung stellt. Doch egal welche Technologie: Gutes Schreiben – egal ob für Webseiten oder Printprodukte – erledigt sich nicht einfach so nebenbei. Diese Tatsache wird von vielen Unternehmen immer wieder falsch eingeschätzt. Gutes Schreiben bedeutet Auseinandersetzung mit den Hintergründen, genaue Planung dessen, was gesagt werden soll, Wissen um typografische und stilistische Methoden und vieles mehr.
Auch ein gewisses Maß an Empathie sollte zum Rüstzeug eines guten Webtexters gehören. Er muss die Bedürfnisse, Anforderungen und Ängste seiner Zielgruppe genau kennen und dazu die richtigen Fragen stellen. Schlussendlich sei auch noch erwähnt, dass alle Text, egal wo sie publiziert und gelesen werden, natürlich auch den Anforderungen an die gängigen Regeln von Rechtschreibung und Grammatik entsprechen müssen.