Geschichten – sie faszinieren den Menschen seit Menschengedenken. Sie entführen in Welten, die man so nie betreten würde, lassen Ereignisse miterleben, die man so nie erlebt hätte. Sie schenken Einsicht, Weisheit, Unterhaltung, Ablenkung, Wissen. Manche Figur wird zu einem treuen Gefährten, mancher Ort zu einer Zuflucht – vor kalten Wintertagen, vor einsamen Zeiten. Manchmal sehnt man sich aber auch nach genau dieser Einsamkeit, nach der Ruhe und Besinnlichkeit, um in eine Geschichte eintauchen zu können. Geschichten begleiten uns. Jeden Tag. Sei es in Form langer Romane oder in der Schilderung des letzten Dates der Arbeitskollegin. Sie sind also nichts Neues, keine Erfindung der Neuzeit. Warum dann dieser Hype ums Storytelling?
Storytelling & Content Marketing – zwei natürliche Partner
Das Wort „Storytelling“ wird eng mit dem Thema „Content Marketing“ in Verbindung gebracht. Nicht, weil es neu ist. Sondern weil es ganz natürlich zum Content Marketing passt. Denn was macht guten Content aus? Wenn er im Kopf des Lesers bleibt und gerne weitergegeben wird. Das ist im Grunde das Ziel des Content-Marketings und das funktioniert im Wesentlichen über Emotionen. Ein Text, der beim Leser eine Emotion auslöst – sei es Mitgefühl, Freude, Faszination oder ein herzhaftes Lachen – prägt sich in dessen Gedächtnis ein, bleibt hängen. An Dinge, die mit Emotionen verbunden sind, erinnert man sich eher, als an Pragmatisches. Neben passenden Bildern, einer guten handwerklichen Umsetzung und der richtigen Tonalität von Bild und Text braucht es dafür eine gute und gut erzählte Geschichte. “Die Psychologen gehen davon aus, dass wir uns an Geschichten besser erinnern, weil das Gehirn nicht zwischen einer erzählten Geschichte und einem echten Erlebnis unterscheidet.” (Ward, Barbara (2015), Fit für Content-Marketing.
Geschichten bewegen also etwas beim Rezipienten, sie lösen ein Gefühl, eine Emotion aus. Um diese Emotionen gezielt aufzubauen und mit einem Unternehmen/einem Produkt in Verbindung zu bringen, müssen die Mechanismen verstanden werden, die dahinter stehen.
Was macht Storytelling aus?
Was bedeutet Storytelling überhaupt? Beim Storytelling werden Informationen nicht direkt dargestellt, sondern in einer Geschichte verpackt. So erhält der Empfänger Zeit, die Botschaft zu entschlüsseln. Er denkt also über das Erzählte nach. „Dadurch entsteht ein weit höherer und nachhaltigerer Effekt als bei der klassischen Informationsvermittlung.“ (Ward, 2015)
Was aber gehört nun zu einer guten Geschichte? Dazu gibt Petra Sammer in ihrem Buch “Storytelling – Die Zukunft von PR und Marketing” Antwort. (Sammer, Petra (2015), Storytelling, Die Zukunft von PR und Marketing, 1. Auflage 2014, 1. korrigierter Nachdruck 2015, O’Reilly Verlag, Köln) Zunächst sollte man sich folgende Fragen stellen:
– Welche Ereignisse und Elemente sind entscheidend für meine Geschichte?
– Was gibt der Geschichte logischen Zusammenhalt und Sinn?
– Wer sind die Protagonisten meiner Geschichte und wie gestalte ich die Hauptfigur, den Helden?
– Was macht die Geschichte spannend und unterhaltsam?
– Wie gewinne und behalte ich die Aufmerksamkeit meines Publikums?
– Wodurch wird meine Geschichte einprägsam und weitererzählbar?
Außerdem basiert nach Sammer jede gute Geschichte auf 5 Bausteinen, die im folgenden Bild dargestellt sind:
Abb. 1: Die fünf Bausteine einer guten Geschichte (Nachbau nach Sammer)
Jede gute Geschichte hat einen Grund, erzählt zu werden
Um Storytelling zu nutzen, muss man sich über seine Motive im Klaren sein und sich als sinnstiftendes Unternehmen präsentieren und positionieren. Dazu muss sich das WARUM (Vision, Passion, Anspruch), das WIE (Werte und Arbeitsweisen) und das WAS (Produkt und Dienstleistung) der Marke klar vor Augen geführt werden. Dadurch kreist man die Basis der Geschichte ein. Mithilfe dieser Fragen betonen die Geschichten die Stärken und Visionen des Unternehmens, seine Herkunft und Werte sowie seine Bekenntnisse und Ansprüche.
Ein weiterer Ansatzpunkt sind die vier Grundbedürfnisse des Menschen: Sicherheit & Stabilität, Gemeinschaft & Liebe, Freiheit & Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung & Entfaltung. Hier sollte man sich auf einen Aspekt fokussieren, idealerweise eines, das von der Zielgruppe vorgegeben wird. So geht man auf die Wünsche und Träume, auf das Streben der Zielgruppe ein.
Jede gute Geschichte hat einen Helden
Die richtige Auswahl der Protagonisten ist entscheidend für den Erfolg des Storytellings. Vier Merkmale sind essentiell für einen Helden:
– Der Held hat einen unerfüllten Wunsch, ein starkes und dringendes Verlangen. Er ist auf der Suche nach einer Lösung zu einem Problem.
– Der Held hat eine interessante Persönlichkeit und einen starken Charakter.
– Der Held hat eine klare Haltung und Einstellung.
– Der Held verändert sich während der Geschichte, er durchläuft einen Wandel, eine Transformation.
Jede Geschichte beginnt mit einem Konflikt
Im Gegensatz zu Werbebotschaften mit raschen Leistungsversprechen beginnt der Spannungsbogen einer Geschichte nicht mit einer Lösung, sondern mit einem Konflikt, dem sich der Held der Geschichte stellen muss. Er befindet sich zunächst in seiner gewohnten Umgebung, danach kommt es durch ein plötzliches Ereignis zu dramatischen Veränderungen, mit denen der Held einen Umgang finden muss. Dieser Moment der Veränderung macht eine Geschichte für einen Leser interessant.
Die Erfolgsformel guter Geschichten lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Es war einmal … (der Held)
Jeden Tag … (die gewohnte Umgebung)
Aber, eines Tages … (das plötzliche, dramatische Ereignis)
Daraufhin … (der Held setzt sich mit dem Konflikt auseinander)
Und dann … (“Die Reise des Helden”)
Bis schlussendlich … (Auflösung und Erlösung)
Jede gute Geschichte weckt Emotionen
Der Kern des Storytellings: Die Emotionen. Im Gegensatz zu Daten und Fakten soll eine gute Geschichte den Menschen begeistern, ihn emotional mitnehmen. Dabei stehen drei Grundemotionen beim Storytelling im Vordergrund: Liebe, Wut und Angst. Das emotionale Erzählen im Storytelling gliedert sich in vier Stufen:
1. Neugierde wecken
2. Spannung aufbauen
3. Mental aufbauen
4. Überraschend enden
Der Fantasie des Rezipienten sollte freien Lauf gelassen werden. Manche Lücken mag er selber schließen: “Eine überraschende Schlusswendung bleibt oft besser in Erinnerung als ein vollkommen erwartbarer logischer Schluss.” (Sammer, 2015)
Emotionen können mit Wort, Bild und Ton geweckt werden. Dabei kann die Sprache aktiv, plakativ, einfach, bildhaft, variantenreich, detailliert und ausschmückend sein. Musik wirkt verstärkend, assoziativ und bindend. Bilder sollten die Grundemotionen untermalen, indem sie zum Beispiel ungewöhnliche Perspektiven aufwerfen, Vertrautes abbilden, Kontraste überzeichnen etc. Die Möglichkeiten sind vielfältig.
Jede gute Geschichte ist viral
Viralität ist keine Erfindung des Internets. Vielmehr bieten die heutigen Kommunikationsplattformen neue Wege und Möglichkeiten, Geschichten zu verbreiten. Was treibt Menschen dazu an, Geschichten mit anderen zu teilen? Vier Motivationen fallen hier besonders ins Auge:
Altruismus und Hilfsbereitschaft
Zahlreiche Geschichten und Informationen werden schlicht weitergeleitet, um zu helfen.
Extraversion und Profilierung
Wer gute, außergewöhnliche Geschichten teilt, zeigt damit, dass er Zugang dazu hat, sie intellektuell erfassen kann und bereit ist, sie mit der Community zu teilen. Diese Motivation zielt auf Profilierung und Selbstdarstellung.
Selbstfindung und Reflexion
Oft dienen Likes und Shares dazu, eigene Erfahrungen und Urteile zu reflektieren und zu hinterfragen. Freunde werden dadurch ermuntert, in eine Konversation einzutreten und den User so bei der eigenen Reflexion zu unterstützen.
Kontaktaufbau und Kontaktpflege
Viele Postings dienen dazu, Einfluss auszubauen, neuen Einfluss zu generieren oder bestehenden zu festigen.
Storytelling – Ein Fazit
Erfolgreiches Storytelling baut also auf fünf Bausteinen auf und bedient sich im Wesentlichen Mitteln, die Emotionen der Menschen ansprechen. Dadurch behalten die Menschen eine Geschichte länger im Gedächtnis. Gutes Storytelling soll Inhalte transportieren und nachhaltig im (Unter-)Bewußtsein des Rezipienten verankern.