Spricht man von „Sucht“, kommt einem schnell der Alkoholabhängige oder der Heroinjunkie in den Sinn. Drogen, die einen zur Sucht verleiten, müssen aber nicht immer organische oder chemische Stoffe sein. Seit ein paar Jahren hat sich durch die zunehmende Digitalisierung ein enormes Potenzial für eine ganz andere Art von Abhängigkeit entwickelt: Die Onlinesucht.
Das Internet macht’s möglich
Die Nutzung des Internets ist heute nicht mehr wegzudenken und verschafft uns ohne Frage auch Vorteile, die wir gerne annehmen – so z.B. Unabhängigkeit, vernetztes Denken, E-Learning und Fernstudium und natürlich ein online ständig verfügbares immenses Wissen, auf das wir jederzeit zugreifen können. Auch Kontakte können leicht und einfach gepflegt und Freizeitbeschäftigungen schnell organisiert werden.
Doch was passiert, wenn diese Vorteile sich ins Gegenteil umkehren und wir gar nicht mehr vom Medium Internet wegkommen? Wenn sich die ständige Verfügbarkeit in eine Internetsucht steigert, der wir nicht entkommen können?
Nur mal schnell ‘ne Runde zocken oder schon internetsüchtig?
Digitale Sucht zu erkennen ist nicht immer einfach, denn der Übergang von einem normalen Nutzungsverhalten bis hin zu einer suchtgetriebenen Aktivität findet schleichend statt. Hier gilt es, auf gewisse Anzeichen zu achten:
Ist jemand onlinesüchtig, entwickelt er einen starken Wunsch, das Internet zu nutzen und sich mit Aktivitäten wie Onlinespielen oder sozialen Netzwerken zu beschäftigen. Verbunden mit einer exzessiven Nutzungsdauer entwickelt sich dies zum einen inneren Zwang, der so weit geht, dass der Betroffene die Kontrolle über die im Netz verbrachte Zeit verliert.
Dann wird die „offline“ verbrachte Zeit meist als langweilig empfunden und die soziale Interaktion im realen Leben geht zurück. Genauso werden auch andere Hobbies, die außerhalb des Internets stattfinden, vernachlässigt. Kann das Internet einmal nicht genutzt werden, führt dies beim Betroffenen zu innerer Unruhe, Gereiztheit und Schlafstörungen. Wie bei jeder anderen Sucht auch, werden negative Folgen wie beispielsweise Probleme am Arbeitsplatz oder finanzielle Probleme in den Hintergrund gedrängt.
Letztendlich kann ein Onlinesüchtiger seine Internetaktivitäten kaum noch kontrollieren und der Umgang mit dem Internet hat einen so großen Einfluss auf sein Leben, dass andere Bereiche beeinträchtigt werden.
Auswirkungen von Onlinesucht
Internetsucht geht mit ständiger Erreichbarkeit und massiver Reizüberflutung einher, daraus resultiert eine Überforderung des Gehirns und ein Suchtverhalten entsteht. Damit birgt der übermäßige Umgang mit digitalen Medien auch aus neurobiologischer Sucht Gefahren für die Gesundheit. Internetsucht weist Parallelen zur Glücksspielsucht auf, wie z.B. die unwiderstehlich erscheinende Aussicht auf Belohnung in Form von Informationsbeschaffung, Gewinn einer Spielepartie oder eines Einkaufserfolgs. Damit hat das Internet eine sehr starke Anziehungskraft auf den Betroffenen und dieser kann sich dem nur sehr schwer wieder entziehen.
Auch im Arbeitsalltag ergeben sich mit digitaler Sucht zunehmend Probleme. Mehr als 60 Prozent aller Arbeitnehmer mit Internetzugang nutzen täglich das Internet für private Zwecke („Cyberslacking“). Und gerade durch die Allgegenwärtigkeit des Internets und dem stetigen Online-Sein im Hintergrund, ist die Versuchung zur Internetsucht bei der Arbeit umso größer. Diese wächst übrigens auch dann, wenn der Mitarbeiter das Gefühl hat, dass er selbst keine Kontrolle über seine Tätigkeitsfelder und deren Ausübung hat.
Prävention im Arbeitsalltag: Arbeitgeber sind gefragt!
Das Ausmaß der Beeinflussung von der Gesellschaft durch das Internet wird momentan extrem unterschätzt. Die zunehmende Anzahl von Bürotätigkeiten mit Bildschirmarbeiten erklärt auch die zunehmende Steigerung von Onlinesüchtigen. Gerade Arbeitgeber sind hier gefragt, wenn Mitarbeiter Anzeichen von Onlinesucht zeigen.
Wenn der Mitarbeiter also häufig müde und unausgeschlafen wirkt und die Leistungen merklich schlechter werden, kann das natürlich viele Ursachen haben. Klickt der Mitarbeiter aber beim Eintreten des Chefs hektisch eine Webseite oder ein Onlinespiel weg, da er Angst hat, beim privaten Internetsurfen erwischt zu werden und spricht außerdem noch sehr häufig über das Thema Internet, Onlinespiele oder Chats, können das ernstzunehmende Anzeichen sein.
Dann sollten auch die Arbeitsbedingungen auf suchtfördernde Aspekte hin untersucht werden. Was kann die Mitarbeiter anfällig für Drogen machen? Risikofaktoren im Job für die Entwicklung einer Internetsucht sind beispielsweise andauernde Über- oder Unterforderung, mangelndes Lob, hoher Leistungsdruck, Nacht- und Schichtarbeit und auch eine intransparente Unternehmensführung.
Helfen können möglicherweise auch festgelegte Grundregeln im Umgang mit digitalen Technologien. Das können beispielsweise die Limitierung, Restriktion oder ein generelles Verbot sein. Ob eine grundlegende Internetsperre für private Zwecke eingesetzt werden sollte, ist vom Betrieb und dessen Branche abhängig. Außerdem muss hier in die Überlegungen mit einfließen, dass eine angemessene, nicht arbeitsbezogene Nutzung des Internets positiven Einfluss auf die Produktivität der Mitarbeiter haben kann.
Gerade für die Prävention von digitaler Sucht im Unternehmen bieten sich wie bei allen Suchtmitteln Informationsveranstaltungen an, in denen das Thema Internetnutzung am Arbeitsplatz, privates Surfen und digitale Sucht angesprochen werden. Diese können beispielsweise durch einen externen Präventionsberater durchgeführt werden, der sich ebenfalls mit der Analyse von Arbeitsbedingungen befassen kann.