Bei autonomen Waffensystemen ist der Mensch das schwächste Glied, obwohl oder trotz dessen er über deren Einsatz entscheidet. Nun droht diese moralische Instanz bald wegzufallen, während die unbemannten Systeme weiter an Fahrt aufnehmen.
Aktueller Stand der Drohnentechnologie: Mit wenig Aufwand viel Schaden?
Als der Flugbetrieb auf dem Londoner Flughafen vor knapp einem Jahr für 36 Stunden zum Erliegen kam, glich es beinahe dem Kampf zwischen David und Goliath: 150.000 Passagiere mussten wohl oder übel hinnehmen, dass ca. 1000 Flügen einfach ausfielen. Der Grund dafür war eine kleine Drohne, die im Sicherheitsbereich des Flughafens gesichtet worden war. Auffällig. Riskant. Kurz: Die großen Maschinen durften nicht abheben.
Auf dieses Ereignis verwies der Geschäftsführer der Studiengesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, Bernd Kögel, und wollte im Hinblick auf den aktuellen Stand der Drohnentechnologie verdeutlichen, welch großer Schaden bereits mit einem geringen Aufwand verursacht werden kann und lud in diesem Zusammenhang zum Forum “Unbemannte Systeme“ in Bonn ein. Einst startete die Veranstaltungsreihe als “Unmanned Vehicles“.
Präventive Rüstungskontrolle dringend geraten
Zum Auftakt des im Juni 2019 stattfindenden Forums zeigte Kögel einen Ausschnitt aus dem Film “Slaughterbots“. Dieser war von der Kampagne gegen Killerroboter produziert worden und zeigte Minidrohnen, die ihre Opfer per Gesichtserkennung identifizieren und sie mithilfe von drei Gramm Sprengstoff durch einen Schuss in den Kopf töten. Die Minidrohnen passen bequem in eine Handfläche und könnten laut dem namenlosen Firmenvertreter im Film als ganzer Schwarm über einer Stadt abgeworfen werden, um diese in kürzester Zeit von den “Bösen“ zu befreien.
Kögel betonte damals, dass dies zum einen die Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen unterstreichen sollte und zum anderen die Dringlichkeit zeigt, moralische Fragen zu besprechen und internationale Regeln zum Umgang mit derartiger Technik zu vereinbaren. In diesem Punkt wurde von Wolfang Rudischhauser von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik unterstützt, der eine präventive Rüstungskontrolle dringend anrät. Da der bevorstehende Rüstungswettlauf viele Staaten, einschließlich Deutschland, überfordern würde, gebe es ein massives Interesse daran, neuen Bedrohungen regulatorisch entgegenzutreten.
Militärische Wertschöpfungskette soll effizienter gestaltet werden
Auch wenn die Aussichten wenig ermutigend sind, werde man dennoch weiterhin Anstrengungen unternehmen, um beim Wettrüsten mithalten zu können. Michael Lauster vom Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT) erklärte, dass es darum geht, die militärische Wertschöpfungskette effizienter zu gestalten. Er bezog sich dabei auf die Zeitspanne zwischen der Identifikation eines Ziels und dessen Bekämpfung, welche als “Sensor-to-Shooter“ bezeichnet wird. Um diese Zeit zu verkürzen, soll eine verstärkte Intelligenz bis nach ganz vorn in die Sensorik verlagert werden.
Der Mensch, der über den Einsatz einer Waffe entscheiden soll, wird aufgrund der Schnelligkeit dabei jedoch bald zum schwächsten Glied. Lauster erklärte, dass man über die These, Systeme dürfen ohne menschlichen Eingriff nichts, nachdenken sollte. Zwar befürwortet er die Forderung, bereits im Vorfeld ethische Fragen zu klären, äußerte aber auch die Befürchtung, dass man zwingend auf vollautomische Systeme umsteigen muss.
Das Beste aus beiden Welten: Bemannte und unbemannte Systeme kombinieren
Dass die Dynamik des Wettrüstens auf autonome Waffensysteme hinauslaufen kann, was angeblich niemand will, wurde so offen bislang nicht bei den DWT-Foren formuliert worden. Offenbar könne die Rüstungsspirale derartige Befürchtungen nicht aufhalten. Mario Gebauer vom Bundesministerium der Verteidigung sagte, dass unbemannte Elemente in zukünftigem Systemen für den Luft- und Bodenkampf enthalten sein müssten. Unterstrichen wurde dies mit den Worten von Rupert Ficker-Reißing vom Kommando Luftwaffe, der betonte, dass es nicht darum ging, ob, sondern wie diese Systeme zum Einsatz gebracht werden können. Insgesamt ging es darum, bemanntes und unbemanntes Fliegen bestmöglich zu kombinieren und damit das Beste aus beiden Welten zu kombinieren.
Bodenkampf mit Künstlicher Intelligenz (KI)
Für den Bodenkampf gibt es analog dazu das deutsch-französische Projekt MGCS (Main Ground Combat System). Thomas Manfred Doll vom Amt für Heeresentwicklung erläuterte, dass der Begriff “Hyperwar“ die Herausforderungen, die die Künstliche Intelligenz (KI) mit sich bringen, zusammengefasst. Dazu zählen neben der Automatisierung von Prozessen auf dem Gefechtsfeld auch eine höhere Dynamik sowie kürzere Entscheidungszyklen.
Künstliche Intelligenz werde laut Doll zukünftig nicht nur bei der Erfassung und Identifikation von Zielen eine größere Rolle spielen, sondern auch bei der Luftraumkoordination, der Lagebeurteilung und der Feuerverteilung. Allerdings ist die Lagebeurteilung eine Königsdisziplin und liegt laut Doll noch weit in der Zukunft.
Bis 2040 wird es darum gehen, innovative Waffensysteme und Wirkmittel mit einer hohen Autonomie zu entwickeln sowie bestehende Systeme zu (teil-) autonomen Systemen weiterzuentwickeln.