Zumindest erweckt die Einstellung des deutschen Lehrkörpers und der öffentlichen Verwaltungen gelegentlich den Eindruck, dass digitale Medien ein bedrohliches Szenario in Deutschland darstellen würden. Doch wie sieht die Realität aus?
Bitkom Research hat in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Aris bundesweit 505 Lehrer in verschiedenen Bildungseinrichtungen Sekundarstufe I, Realschulen, Gesamtschulen, Gymnasien etc.) repräsentativ befragt. Das Ergebnis scheint vernichtend, denn der Großteil des Lehrpersonals rät seinen Schülern, weder ein Startup zu gründen noch stark auf digitale Technologien zu setzen. Ersteres dürfte in der verhältnismäßig gründerfeindlichen deutschen Unternehmenskultur nicht überraschen. Letzteres irgendwie schon.
Deutsche Institutionen sehen Digitalisierung kritisch oder als gegenstandslos
Sowohl Lehrer als auch viele Politiker sehen die Digitalisierung wohl immer noch auf dem Level der 1990er oder frühen 2000er Jahre. Denn nach der Bitkom-Studie glaube bspw. jeder elfte Lehrer (9 Prozent), die Digitalisierung habe überhaupt keine Auswirkung auf die Gesellschaft. Und mehr als jeder dritte Lehrer (38 Prozent) gibt an, IT-Grundkenntnisse sowie Programmiererfahrung von Schulabgängern seien für die Wirtschaft nicht wichtig.
„Ohne Medienkompetenz und grundlegende IT-Kenntnisse werden sich junge Menschen weder auf dem Arbeitsmarkt noch in der Gesellschaft zurechtfinden“, sagt Niklas Veltkamp von Bitkom. „Wir brauchen ein Pflichtfach Informatik ab der 5. Klasse, Englischunterricht ab der 1. Klasse und eine fächerübergreifende Vermittlung von Medienkompetenz.“
Die wichtigsten Fähigkeiten von Schulabgängern sind für die Pädagogen Deutschkenntnisse und Sozialkompetenz (je 100 Prozent) sowie Mathematikkenntnisse (98 Prozent). Englischkenntnisse halten 86 Prozent für wichtig, Allgemeinbildung 73 Prozent. Am Ende der Rangliste liegen Kenntnisse in Naturwissenschaften (38 Prozent) und Kenntnisse in Fremdsprachen außer Englisch (30 Prozent). Wenngleich gute Sprach- und Sozialkompetenzen sowie mathematische Fähigkeiten natürlich wichtig sind, stechen sie die nötigen digitalen Kompetenzen nicht aus.
Doch scheint das Ignorieren symptomatisch. Peter Welchering, langjähriger Journalist u.a. für den Deutschlandfunk, meint hierzu:
Über die Digitalkompetenz der Bundesregierung konnte ich mir gestern auf dem #Digitalgipfel einen Eindruck verschaffen pic.twitter.com/kfrMtCnqGM
— Peter Welchering (@welchering) 14. Juni 2017
Des Weiteren erklärte er auf Nachfrage auch die geringe Bereitschaft, andere Meinungen zu akzeptieren:
Das Berliner Paralleluniversum ist nun mal nicht gerade lernförderlich. Es ist kein Generationenproblem, sondern d Arroganz d Macht
— Peter Welchering (@welchering) 15. Juni 2017
Vorurteile bei Digitalisierung ein Gesellschaftsproblem?
Zwar wachse inzwischen eine neue Generation digital natives heran und die erste Generation ist inzwischen um die 30 und wächst damit langsam in verantwortungsvolle Positionen hinein. Dennoch dürfte die Entwicklung hin zu einer digitalen Gesellschaft dauern, zumal die deutschen Bildungs- und Machtträger sich bislang recht beratungsresistent gezeigt haben.