Gerade für Selbständige, ortsunabhängige Arbeit oder Leute im Home Office ist ein guter Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben sehr wichtig. Das wird dann gern Work-Life-Balance genannt. Doch brauchen wir wirklich dieses Wortmonster in unserem Leben? Meine persönliche Meinung.
Ausgleich schön und gut, aber …
Noch nie wurde so viel über Harmonie oder Balance gesprochen. Sei es im eigenen Geisteszustand, den beruflichen Fähigkeiten oder der Joghurtkultur. Und Balance an sich ist eine sehr gute Sache. Ein mittlerer Pfad zwischen den Extremen kann uns helfen, ausgeglichener zu werden, zufriedener und sogar glücklicher mit unserem Leben.
Doch dann gibt es das Zufriedenheits-Paradox: Menschen werden statistisch zufriedener je älter sie sind. Doch geht es uns wirklich besser und sind wir wirklich zufriedener mit unserem Leben… oder haben wir uns einfach nur mit dem abgefunden, was wir haben? Denn es könnte doch so viel schlimmer sein als es ist?
Aktiv werden und Dinge tun
Diese Einstellung des gefolgsamen Fügens in die aktuellen Verhältnisse ist Lethargie und aus meiner Sicht gefährlicher als jeder Workaholic. Ein ähnliches Phänomen gibt es auch im Internet: Social-Media-Nutzer verpuppen sich bspw. bei Instagram und eröffnen sich damit eine Parallelwelt, in der es keine unangenehmen, sondern nur behagliche Situationen gibt. Das nennt sich dann „tele-cocooning“, also das Verpuppen in diese Medien.
Generell ist etwas Fürsorge und innere Ruhe und Ausgeglichenheit keine schlimme Sache und kann unserer Psychohygiene sogar helfen. Doch sich selbst aufzugeben und einfach nur den Verhältnissen zu fügen, halte ich für gefährlich.
Gegen Demenz hilft Input
Um geistige Verkrustung zu verhindern, können wir nur aktiv werden. Die Work-Life-Balance sehe ich jedoch als eine Teilaufgabe aus dem Sein. Hier wird fälschlich suggeriert, dass es Arbeit einerseits gibt und Leben andererseits. Bereits diese Einteilung erscheint mir falsch.
Leben wir denn nicht auch bei oder während der Arbeit? Warum diese Unterteilung? Ein selbstbestimmtes Leben beinhaltet eigentlich auch eine selbstbestimmte Arbeit. Wir leben nicht nur acht Stunden am Tag vor und nach der Arbeit. das hieße einen Gutteil des Tages einfach auszublenden oder zu ignorieren.
Arbeit und Leben sind nicht getrennt
Wir müssen aufhören mit dieser schizophrenen Einstellung, dass es Leben gibt und Arbeit. Und selbst wenn wir den Begriff Leben als Freizeit interpretieren ist beides nicht getrennt voneinander. Zum Leben gehört Arbeit und zur Arbeit gehört Leben. Beides ist intrinsisch miteinander verknüpft.
Damit will ich Workaholics nicht rechtfertigen. Übertriebene Arbeitswut ist gefährlich – aber auch übertriebene Lethargie oder das schon fast schizophrene Trennen von beidem.
Wir sollten Genuss aus der Arbeit ziehen. Ein Mensch zieht Genuss aus dem Leben (oder sollte es zumindest, denn wie viele Chancen haben wir denn zu leben?). Wir sollten Genuss aus dem Arbeitsleben ziehen. Aber wir sollten Arbeit dabei nicht negativ sehen. Arbeit ist das, was wir tun, wenn wir nicht schlafen und nicht tot sind.