Große Büros in alten Lagerhallen, aufgeblasene Geschäftsführer mit irrwitzigen englischen Titeln – und keiner weiß eigentlich, womit Geld verdient wird. Das sind einige gängige Klischees aus der Startupszene. Doch was machen die deutschen Startups bzw. Jungunternehmen eigentlich wirklich?
Deutschland ist ein Industrie- und Dienstleistungsland. Hochtechnologisiert gibt es auch hier eine Startupkultur, wenngleich diese eher in kleineren Gruppen organisiert ist und nicht viel Staub aufwirbelt wie einige ihrer US-amerikanischen Kollegen.
Fintech-Szene – Geldtransfer mit dem Smartphone ist deutsches Silicon Valley
Die Digitalisierung der Banken- und Finanzbranche ist nicht mehr nur Thema vieler Konferenzen, sondern bildet den Kern vieler deutscher Unternehmensgründungen: Neben Geldtransfers mit dem Smartphone geht es häufig auch um Veränderungen der Branche an sich durch Mobile Banking und Mobile Payment, Blockchain-Technologien oder die europäische Harmonisierung von digitalen Geschäftsmodellen und deren finanzieller Verwaltungsstruktur.
Laut einer Erhebung des Branchenverbands Bitkom würde jeder Siebte Kleinbeträge von Smartphone zu Smartphone übertragen und hält Peer-to-Peer-Systeme wie Bitcoin sogar für eine Alternative zum Bargeld.
In Restaurants oder bei Einkäufen ist das Problem bekannt: Nie findet sich passendes Wechselgeld. Mobile Payment scheint hier eine gute Lösung zu sein und etwa 15 Prozent der Bundesbürger können sich bspw. für den Einkauf oder auch das Zeitungs-Abo solche digitalen Wallet-Systeme als gute Alternative zu herkömmlichen Bezahl- oder Liefermethoden vorstellen.
Allerdings glaubt auch mehr als jeder Zweite (56 Prozent), er würde solche Dienste auf keinen Fall nutzen. Der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder sieht das aber anders und meint, dass die Finanzbranche heute bereits stark auf digitale Innovationen setze und Kooperationen mit Startups an der Tagesordnung seien.
Tatsächlich ist es ein offenes Geheimnis, dass der deutsche Finanzsektor besonders viele innovative Gründungen unterstützt und traditionelle Geschäftsmodelle digital ersetzen möchte.
Besonders die sogenannte Fintech-Szene hat bereits viele spannende Gründungen hervorgebracht. Der Begriff ist ein Kurzwort aus Finanz-Technologie abgeleitet. Nicht nur Online-Konten, sondern das digitale Verwalten und Überweisen von Geldern ist ein sehr profitabler Wirtschaftszweig, der speziell bei deutschen Startups boomt.
Schon heute sieht fast jeder dritte Deutsche deutliche Vorteile darin, Geld bargeldlos per Smartphone zu transferieren. So sagen 31 Prozent, dass digitale Geldboten eine Alternative zu Bargeld sein können. Für 38 Prozent erleichtern sie den Austausch von Kleinbeträgen mit Familie, Freunden oder Kollegen.
Künftig dürften noch mehr Bundesbürger mit dem Smartphone nicht nur Kurznachrichten an Freunde schicken, sondern genauso schnell und bequem auch Bargeld. Lösungen wie Kwitt der Sparkassen oder Technologien wie NFC bieten hier vielversprechende Ansätze.
Startup gründen in Deutschland nicht so einfach
Trotz dieser beachtsamen Entwicklung der positiven Bilanz, die viele Startups ziehen, ist eine Gründung in Deutschland keine einfache Sache. Es gibt zwar kompetente Beratung und Tipps zur Planung der Existenzgründung vielfach bereits online einzusehen, aber der Prozess dauert im Schnitt mindestens einen Monat und beinhaltet Gänge zum FInanzamt, ggf. der Werbeaufsicht, Bankgespräche usw. Das kann für künftige Gründer einen durchaus ermüdenden Prozess darstellen.
Eine Liste gibt es nicht, aber einige wichtige Punkte bei jeder Gründung sind:
- Know-how: Fachwissen ist unentbehrlich für ein erfolgreiches Unternehmen – sowohl im verwalterischen, buchhalterischen wie auch technologischen Sektor sollte ein Jungunternehmen kompetente Fachkräfte haben. Sonst bleibt es bei einer schönen Idee.
- Einbringen: Harte Disziplin, eigenes Engagement und Selbstbeherrschung erfordert das Leben als Gründer. Man ist nun selbst Chef und muss sich und andere kontrollieren und in produktive Bahnen lenken.
- Risikobereit: Auch ist es unerlässlich, bewusst Risiken eingehen zu können. Als Unternehmer lebt man mit der Ungewissheit wie erfolgreich das nächste Produkt wird oder wie gut sich das Ladengeschäft etablieren wird. Neben den guten gibt es auch viele schwere Zeiten und Durststrecken. Zurückhalten und sparen sind in den richtigen Momenten unabdingbar und verlangen ein vorausschauendes und stets wachsames Auge.
- Innovation und Redundanz: Eine gute Mischung zwischen stetiger Weiterentwicklung des Produkts, der Dienstleistung und des eigenen Unternehmens sowie das Beibehalten wichtiger Merkmale, die zur Wiedererkennbarkeit führen, sind ausschlaggebend für den Erfolg eines Startups. Gerade in den ersten Jahren ändert sich so viel bei einem jungen Unternehmen, dass eine wiedererkennbare rote Linie wichtig ist.
- Businessplan: Zumindest im Kopf sollte immer der Masterplan stehen: Was will ich erreichen? Ein Businessplan ist dabei hilfreich und bspw. bei Bankgesprächen oder beim Beantragen von Fördermitteln unabdingbar.
Obwohl das Thema Existenzgründung in manchen Kreisen sehr präsent ist, spielt es für die Allgemeinheit kaum eine Rolle. Viele Lehrer raten Schülern sogar von einer Existenzgründung ab.
Gründergeist in Deutschland?
Zwei Drittel der Lehrer würden laut einer Bitkom-Studie ihren Schülern von einer Startup-Gründung abraten. Gerade einmal jeder vierte Lehrer (24 Prozent) würde eine Startup-Gründung empfehlen. Woher kommt dieser Widerwille?
Einerseits wurde die Studie nur in der Sekundarstufe I durchgeführt (bis 10. Klasse), andererseits muss die Frage gestellt werden, ob Deutschland überhaupt eine gründerfreundliche Gesellschaft ist:
- Gründer kommen schwerer an Darlehen
- Gründer haben teils größere Hürden bei Mietverträgen
- Gründer werden als Bürgen teils komplett abgelehnt
Das sind beobachtete Einzelfälle und können statistisch nicht belegt werden. Doch viele deutsche Banken verleihen ungern an Gründer bzw. Selbständige, da diese kein geregeltes Einkommen besitzen. Selbst Mietverträge oder Bürgschaften stehen Gründern nicht immer offen, da in Einzelfällen bereits Vermieter ablehnten, da ein Gründer aufgrund seines ungeregelten und daher unplanbaren Einkommens nicht die Mietzahlung sicherstellen oder als Bürge bei einem Zahlungsausfall die Geldzahlung übernehmen könne.
In der Schule wird der Grundstein für derlei Sichtweisen gelegt – was aber auch an fehlendem Kontakt mit Gründern liegt bzw. an fehlenden Vorbildern aus der Gesellschaft.
Doch auch im Elternhaus steht es nicht gut um Gründerwillen: Laut Bitkom würden 6 von 10 Eltern ihrem Kind von einer Startup-Gründung abraten, wobei Mütter einer Gründung aufgeschlossener gegenüberstehen als Väter. Interessanterweise sind die Schulformen hier sehr unterschiedlich verteilt: 36 Prozent der Eltern von Hauptschülern würden eine Startup-Gründung auf jeden Fall oder eher empfehlen, bei Gesamt- oder Gemeinschaftsschülern sind es 34 Prozent und bei Gymnasiasten nur noch 30 Prozent.