Vielen geht es immer noch um harte Aufrufzahlen, Views oder Klicks, doch immer mehr setzt sich auch im Online-Marketing die Erkenntnis durch, dass Engagement zählt – also der wirkliche Kontakt und Austausch miteinander.
Emotionalität im Internet?
Lange Zeit galt das Internet als alternativer Raum. Gefühle und Emotionen waren nicht echt, sondern nur digital. Doch das änderte sich mit der Zeit, wie die ARD/ZDF-Onlinestudie 2012 feststellte:
„Wie die ARD/ZDF-Langzeitstudie aus den Jahren 2000 und 2005 beweist, spielten noch nicht vor allzu langer Zeit emotionale Aspekte bei der Internetnutzung eine untergeordnete Rolle […]. Ein Vergleich mit den Daten der ARD/ZDF-Onlinestudie aus dem Jahre 2010 verdeutlicht, dass sich das Blatt gewendet hat.“
Gefühle und Emotionen spielen im digitalen Marketing inzwischen eine essenzielle Rolle. Die Zeiten von SEO-optimierten robotischen Texten sind vorbei.
Das Netz beeinflusst uns bewusst oder unbewusst. Gefühle gehören dazu. Das Internet ist ein Spiegel der analogen Gesellschaft. Jede Emotion findet sich auch online in der einen oder anderen Inkarnation. Wir sind online genauso beeinflussbar wie im echten Leben.
Wie beeinflussbar sind unsere Gefühle im Internet?
Emotionale Beeinflussbarkeit existiert. In der Forschung wird dieses Phänomen Gefühlsansteckung (engl. emotional contagion) genannt. Elaine Hatfield hat mit ihren Arbeiten in den 1990er Jahren einige grundlegende Inhalte erstellt: Vor allem Spiegelneuronen und eine Art Mimikry-Effekt bestimmen uns. Lächeln uns andere an, lächeln wir zurück. Haben andere gute Laune, steckt uns das auch an. Gefühle wirken im echten Leben – warum also nicht auch online?
Für eine Studie manipulierte Adam Kramer in Zusammenarbeit mit dem Core Data Science Team von Facebook etwa eine halbe Million Facebook-Profile Anfang 2012. Der einen Hälfte wurden vor allem positive, der anderen Hälfte vor allem negative Nachrichten gezeigt. Bei der Publikation der Ergebnisse 2014 wurde geschlussfolgert, dass Gefühlsansteckung nicht nur face-to-face, sondern auch face-to-facebook funktioniert. Denn die manipulierten Profile haben sich durch die Art der Nachrichten “anstecken” lassen und wiederum selbst eher negative oder eher positive Inhalte verbreitet.
Pam Ramsden von der Uni Oxford veröffentlichte 2015 eine weitere Studie, nach der soziale Medien auch Traumata fördern können. Demnach wiesen knapp ein Fünftel der Teilnehmer in ihrer Studie infolge des Social-Media-Konsums Anzeichen einer post-traumatischen Belastungsstörung (PTSD) auf. Diese vor allem bei Vergewaltigungs-Opfern, Soldaten oder Feuerwehrmännern verbreitete psychische Erkrankung entsteht infolge traumatischer Erfahrungen.
Neben den Hochzeitsfotos von Freunden oder unter Geburtstagsglückwünschen kann bspw. das Bild eines toten Flüchtlingskindes erscheinen oder beleidigende Hetze. Die Mutmaßung der Forscher ist, dass der PTSD-Effekt vor allem durch die ungefilterte Aufnahme dieser Inhalte entsteht.
Fazit: Das Internet beeinflusst uns und wir werden manipuliert
Egal ob offline oder online: andere manipulieren uns. Sei es Oma, die uns noch ein Kuchenstück gibt, weil wir doch ach so abgehungert wirken, oder eben große Konzerne, die über verschiedene Strategien ihre Produkte vertreiben wollen. Dabei ist es unerheblich, ob es vor Testosteron spritzende Geländefahrzeuge, pinke Kosmetikartikel oder bemitleidenswerte Großväter sind:
Die EDEKA-Weihnachtskampagne #heimkommen war 2015 auch aufgrund ihrer emotionalen Wirkung kontrovers diskutiert worden (Video).
Gefühle ansprechen und mit diesen arbeiten, ist in Werbung und Reklame ein essenzieller Bestandteil. Nur so kann manchmal der Wunsch nach Haben erzeugt werden. Auch im Netz ist das keine neue Idee, aber eine, die a) erst seit kurzem wirklich aktiv bedacht wird und die b) durch die technologischen Möglichkeiten von virtueller Realität und Immersion weiter getragen werden kann als bisherige Formen.
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In ihrer aktuellen Radiofolge besprechen die #Onlinegeister tiefgreifend das Thema Emotionen im Internet mit einem Schwerpunkt auf der visuellen Kommunikation bei Instagram: